- Mitchell Miller behandelte eine ungewöhnliche Patientin mit Schlafapnoe, die am Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) litt. Patienten mit EDS haben ein sechsmal höheres Risiko, Schlafapnoe zu entwickeln, aufgrund erhöhter Gewebelaxität, die Atemwegverstopfungen begünstigt. Miller führte eine Hypoglossusnerven-Stimulation (HGNS) durch, was zu einer vollständigen Auflösung der Schlafapnoe bei seiner Patientin führte. HGNS ermöglicht es Patienten, ihre Atemwege während des Schlafs durch elektrische Impulse offen zu halten, doch die Einführung ist aufgrund von Unsicherheiten über das Risiko-Nutzen-Verhältnis schleppend. Forscher erkunden zunehmend EDS-spezifische Behandlungen, um die besonderen Anforderungen dieser Patientengruppe besser zu adressieren.
Im Jahr 2023 erhielt Mitchell Miller, ein Spezialist für Schlafmedizin mit Sitz in Clearwater, Florida, einen ungewöhnlichen Patienten. Gewöhnlich behandelt Miller Menschen mit Schlafapnoe – einer chronischen Erkrankung, bei der Betroffene während der Nacht dutzend- oder gar hundertfach aufhören zu atmen. Diese Störungen führen zu unruhigem Schlaf und Erschöpfung am Tag. Häufig sind Männer betroffen, besonders im mittleren Alter, die übergewichtig sind. Doch diesmal war es eine 33-jährige Frau von zarter Statur, die die typischen Symptome von Tagesmüdigkeit aufwies. Anders als seine üblichen Patienten litt sie am Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS), einer Gruppe genetischer Störungen, die die Festigkeit und Elastizität von Muskeln, Gelenken und Geweben beeinträchtigen und mitunter außergewöhnliche Flexibilität verleihen.
Die verborgene Dimension von EDS
Weltweit sind schätzungsweise 1,5 Millionen Menschen von EDS betroffen, mit Symptomen, die von mild bis schwer reichen können. Eine der weniger bekannten gesundheitlichen Auswirkungen dieser Störung ist Schlafapnoe. Patienten mit EDS haben ein sechsfach erhöhtes Risiko im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung. „Wir sind auf Muskeltonus und Elastizität angewiesen, um unsere Atemwege im Schlaf zu halten”, erläutert Miller. “EDS verursacht eine erhöhte Laxität der Gewebe, sei es im Rachen oder an der Zunge, was das Risiko einer Verstopfung der Atemwege erhöht.” Bei Tests zeigte sich, dass Millers Patientin bis zu 24 Apnoe-Episoden pro Stunde hatte. Während fünf oder weniger Ereignisse pro Stunde als normal gelten, können Patienten mit moderater bis schwerer Apnoe 15 bis 30 oder mehr Unterbrechungen erleben.
Innovative Behandlungen und neue Horizonte
Doch mit dem Wissen um die Ursache ihrer Beschwerden hatte Miller eine Idee: durch das Implantieren eines Geräts in die Brust der Patientin könnten milde elektrische Impulse an einen Nerv gesendet werden, der die Zungenbewegung steuert – die Zunge wird vorwärts bewegt und hält die Atemwege während des Schlafs offen. Dieses experimentelle Prozedere, als Hypoglossusnerven-Stimulation (HGNS) bekannt, zeigte derart bemerkenswerte Ergebnisse, dass Miller sich zur Veröffentlichung seiner Erkenntnisse entschloss. Einer der Vorteile von HGNS ist, dass die Patientin das Gerät vor dem Schlafengehen selbstständig mithilfe einer Fernbedienung aktivieren und am Morgen wieder deaktivieren kann. Millers Patientin zeigte eine vollständige Auflösung ihrer Schlafapnoe und ist zwei Jahre nach dem Eingriff weiterhin symptomfrei.
Der Bedarf an besseren Ansätzen zur Behandlung von Schlafapnoe wird zunehmend erkennbar. Studien verknüpfen unkontrollierte Apnoe im mittleren Lebensalter mit einer Vielzahl chronischer Erkrankungen. Unter den gegenwärtig gängigen Therapien steht die kontinuierliche Überdruckbeatmung (CPAP) an vorderster Stelle. Dabei wird über ein Gerät Luft in den Rachen gepumpt, um die Atemwege offen zu halten. Jedoch sind nur 30 Prozent der Betroffenen in der Lage, diese Therapie langfristig zu nutzen, da sie unter anderem unter Klaustrophobie leiden oder durch das permanente Summen der Maschine nicht einschlafen können.
Personalisierte Behandlungsmöglichkeiten
Eine Pillenlösung – oder eine gleichwertige Therapie zu CPAP – erweist sich als anspruchsvolle Herausforderung. Zahlreiche Medikamente befinden sich derzeit in der klinischen Erprobung, während HGNS seit 2014 von der US-amerikanischen Food and Drug Administration zugelassen ist. Miller stellt jedoch fest, dass die Einführung schleppend verläuft, da viele Ärzte über das Risiko-Nutzen-Verhältnis unsicher sind. Die Kosten des Geräts und der notwendige chirurgische Eingriff sind weitere Hürden. „Wie bei jeder neuen Technologie gibt es oft eine zeitliche Verzögerung in der Akzeptanz sowohl in der medizinischen Gemeinschaft als auch bei den Versicherern“, erklärt er.
Es ist unwahrscheinlich, dass eine einzige Therapie CPAP ersetzen kann, argumentiert Thomas Gaisl, ein Lungenfacharzt am Universitätsklinikum Zürich, da Schlafapnoe kein einzelnes Krankheitsbild ist, sondern ein komplexer Zusammenschluss verschiedener Zustände. Übergewicht stellt einen Hauptfaktor dar, und das Gewichtsreduktionsmedikament Tirzepatide wird als mögliche Therapie in Betracht gezogen, da es Fettansammlungen um den Hals und den Oberkörper abbauen könnte, die die Atemwege verengen.
Die Rolle der Gene und zukünftige Perspektiven
Forscher widmen sich zunehmend der EDS-Population. Gaisl schätzt, dass das Vorhandensein von EDS dem Anstieg des Body-Mass-Index um 11 Punkte entspricht, was die Wahrscheinlichkeit von Schlafapnoe betrifft. Das liegt daran, dass die Gene, die mit EDS verbunden sind, die Struktur von „Matrix-Proteinen“ wie Kollagen und Elastin betreffen. Diese Proteine bilden das Gerüst für die Bindegewebe des Körpers, von der Haut bis zu Sehnen, Muskeln und Bändern.
„Kollagen ist integraler Bestandteil fast aller Gewebe, einschließlich jener, die die Atemwege formen“, sagt Karim Ghobrial-Sedky, ein Lehrbeauftragter an der Drexel Universität und Schlafspezialist. „Bei EDS erhöht die Anomalie des Kollagens die Wahrscheinlichkeit, dass die Atemwege beim Einatmen zusammenbrechen.“ Daher glauben Forscher, dass EDS-Patienten besonders von Behandlungen profitieren könnten, die auf die Muskeln in Zunge und Rachen abzielen – ähnlich Millers HGNS oder einer neuen Medikamentenkombination, die von einem Unternehmen namens Apnimed entwickelt wird. Die Entdeckung, dass zwei Verbindungen, Atomoxetin und Aroxybutynin, synergistisch wirken, um den Muskeltonus im oberen Atemweg zu verbessern, hat in Studien bereits gezeigt, dass es Apnoe-Ereignisse um 56 Prozent reduziert.