- Film „Constantine” erfuhr harsche Kritik, feiert aber nun 20-jähriges Bestehen mit besserem Ansehen. Keanu Reeves’ Darstellung kritisiert, jedoch als interessante Interpretation des Comic-Charakters anerkannt. Der Film verlegt Handlung von London nach Los Angeles, was Fans des Originals irritierte. Regisseur Francis Lawrence überzeugt durch stilistische Bildkompositionen und technische Details. Trotz Schwächen bleibt „Constantine“ ein faszinierendes Beispiel für unterhaltsames Pop-Kino.
Der Herr vergibt. Und schließlich tun es auch Filmkritiker, deren vorschnelle Urteile so gnadenlos sein können wie die Strafen eines rachsüchtigen Gottes. Ein Beispiel für diese altbiblische Wut zeigt sich in den Kritiken, die wie Blitze auf „Constantine“ einschlugen, die 2005 erschienene Vertigo-Comics-Adaption. Sie besetzte Keanu Reeves als pessimistisch gestimmten Antihelden, der widerspenstige Halbdämonen zurück in die Hölle schickt – mit einer Zigarette im Mundwinkel und einem ausgestreckten Mittelfinger. Der Film, der heute sein 20-jähriges Jubiläum feiert, hat sich besser gehalten als man zunächst vermutete, was angesichts der damals vernichtenden Kritiken bemerkenswert ist. Vielleicht profitiert dieser kleinere Hollywood-Erfolg einfach im Vergleich zu dem, was in der heutigen, weniger glanzvollen Kinowelt als Spektakel gilt.
Ein gewagter erster Auftritt
„Constantine“ war Keanu Reeves’ erste Hauptrolle nach dem Abschluss der Matrix-Trilogie, und niemand konnte sich unvorteilhafter Vergleiche entziehen. Die Matrix-Sequels galten ebenfalls zunächst als Enttäuschungen, bevor sie in den folgenden Jahren wieder aufgewertet wurden. Es lassen sich Parallelen ziehen zwischen dem messianischen Aufstieg von Neo und den Irrwegen von John Constantine, einem weiteren Messias, der die verborgene Struktur der Welt sieht und gezwungen ist, seine Mitmenschen vor einer sich verändernden, getarnten Bedrohung zu retten. Constantine setzt einfach den religiösen Subtext der Matrix in den Vordergrund, tauscht Descartes gegen die Heiligen Schriften.
Fans des Hellblazer-Comics hatten auch reichlich zu beanstanden. Der Film wurde ohne die Zustimmung oder Mitwirkung von Alan Moore, dem Co-Schöpfer der Figur, entwickelt. Moore gilt als kreatives Urgestein, das mit dem Hollywood-System hadert, welches seine Werke verfälscht. „Constantine“ ist, was man eine sehr lockere Adaption nennen könnte, die die Handlung von Liverpool und London nach Los Angeles verlegt und den berüchtigten blonden Protagonisten in einen dunkelhaarigen Amerikaner verwandelt. Reeves wäre nicht die erste Wahl eines eingefleischten Fans für die Rolle, die auf dem Rockstar Sting basiert. Dennoch bietet Keanu eine interessante Darbietung des kettenrauchenden Noir-Detektivs als Exorzist.
Mythen in moderner Verpackung
„Constantine“ trägt maßgeblich zu seinem Charme bei, indem er eine eigene James Bond-artige technische Unterstützung konsultiert, um seine missliche Lage zu meistern. Beispielhaft ist die Befüllung von Sprinkleranlagen mit Weihwasser oder das Tragen von Schlagringen mit Kreuzgravuren. Dann wiederum sind es kleine Details wie der Dialog, der diese meditative Mischung aus Glaubenskritik und krassen Abenteuern so bemerkenswert macht. „Gott ist ein Kind mit einem Ameisenhaufen“, sagt Constantine zynisch; eine Aussage, die sogar Humphrey Bogart stolz machen könnte. Gibt es einen besseren Weg, um die Angst und Unsicherheit eines Mannes zu verdeutlichen, der mit der Bürde schicksalhafter Offenbarungen lebt? John Constantine versuchte als Teenager, dem heiligen Visionsfluss zu entkommen, indem er die Hölle freiwillig für zwei Minuten betrat – diese kurzen Momente sind schuld an seiner ewigen Verdammnis.
Obgleich die Handlung von „Constantine“ leicht abwegig erscheint, gibt es Momente von echter Faszination, besonders, wenn die Protagonisten mit Hightech-Gimmicks und göttlichen Werkzeugen spielen. Es ist nicht zuletzt diese handwerkliche Ausgereiftheit von Regisseur Francis Lawrence, die den Film über dem Durchschnitt hält. Sein Gefühl für übertriebene Winkel und dynamische Bildkompositionen hebt „Constantine“ wohltuend von vielen modernen Hollywood-Produktionen ab, bei denen oft nur die bombastische Inszenierung zählt. Auch wenn „Constantine“ nicht als Meisterwerk in die Annalen der Filmgeschichte eingehen mag, bleibt es doch ein faszinierendes Exemplar unterhaltsamen Pop-Kinos, angereichert mit einprägsamen Bildern und einer Prise des üblichen Charmes von Keanu Reeves.