- Der Menschheitstraum, Maschinen für lästige Aufgaben einzusetzen, wird durch KI wiederbelebt und steht im Kontrast zu Keynes’ Prognose einer 15-Stunden-Woche. Bereits 62 % der deutschen Beschäftigten nutzen KI, meist informell und aus Angst vor zusätzlichen Aufgaben. KI kann zur Effizienzfalle führen, indem sie Arbeitsintensität erhöht, statt Freiräume zu schaffen. Die Zukunft der Arbeit hängt davon ab, wie wir KI gestalten und in den Arbeitsalltag integrieren. Trotz der potenziellen Transformation durch KI bleibt das genaue Ausmaß dieser Veränderungen unklar.
Der Menschheitstraum, Maschinen und Roboter für lästige Aufgaben heranzuziehen, während wir uns auf das Wesentliche konzentrieren können, erfährt mit dem Aufkommen der Künstlichen Intelligenz (KI) eine Wiederbelebung. Die Idee, dass wir einst nur noch wenige Stunden wöchentlich arbeiten müssten, so wie es der Ökonom John Maynard Keynes 1930 prognostizierte, scheint näher denn je. Keynes meinte, der technische Fortschritt würde 100 Jahre später eine 15-Stunden-Woche ermöglichen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Arbeit wird zunehmend komplexer und hektischer. Digitale Tools beschleunigen den Prozess und schaffen selten Pausen. Welche Chancen bietet KI?
KI in der modernen Arbeitswelt
Bereits jetzt nutzen 62 Prozent der deutschen Beschäftigten KI. Dies geschieht häufig informell, wie eine Erhebung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zeigt. Mitarbeitende verwenden Anwendungen wie Chatbots und Bildbearbeitungstools weitgehend eigenständig. Die formelle Integration durch Unternehmen bleibt oft hinter den Erwartungen zurück. Arbeitsforscher Hans Rusinek von der Universität St. Gallen kommentierte, diese “Schatten-KI” reflektiere den aktuellen Status der Arbeitswelt: Ohne die erforderliche psychologische Sicherheit nutzen Mitarbeitende neue Technologien im Verborgenen, aus Angst vor zusätzlichen Aufgaben. Obwohl KI als Unterstützung wahrgenommen wird, bleibt der Verdacht, dass Beschäftigte nicht ausgelastet sind.
Vorgetäuschte Produktivität durch KI?
Rusinek stellt fest, dass Beschäftigte zunehmend Zeit auf performative Arbeit verwenden – Tätigkeiten, die weniger dem Ergebnis als der Präsenz dienen. Das Bedürfnis, ständige Erreichbarkeit vorzutäuschen oder an Meetings teilzunehmen, überlagert oft den eigentlichen Nutzen. Trotz allem unterstützt KI anspruchsvolle Aufgaben, so zeigen Studien. Wer sich intensiver mit KI auseinandersetzt, erlebt oftmals mehr Autonomie, aber auch gesteigerte Arbeitsintensität. Eine automatische Zeitersparnis bleibt aus. Neue Technologien belasten zusätzlich und realisieren erst durch bewusste Gestaltung die ersehnten Freiräume.
Gefahr der Effizienzfalle durch KI
Rusinek warnt, dass uns KI letztlich in eine Effizienzfalle führen könnte. Die Fähigkeit, E-Mails schneller zu verfassen, führt möglicherweise dazu, dass noch mehr Mails verfasst werden. Die sozialen Praktiken bleiben beständig, und anstatt Freiräume zu öffnen, verdichten sich Aufgaben. Autorin Sara Weber sieht spürbare Risiken darin, dass KI vorwiegend für Produktivitätssteigerung eingesetzt wird. Digitalisierung führt oft zu einer höheren Arbeitsdichte, mehr Kontrolle und einem schwer zu bewältigenden Tempo, das durch verstärkten KI-Einsatz an Dynamik gewinnen könnte.
Zukunft selbst gestalten
Die Zukunft der Arbeitswelt wird maßgeblich davon beeinflusst, wie wir KI nutzen. Weber warnt, dass ungezügelte Entwicklungen die Wahrscheinlichkeit eines positiven Ausgangs schmälern. Trotz aller technologischen Fortschritte hat sich die Arbeitszeit kaum reduziert, mit Guerkettes nur niedrigen Produktivitätsgewinnen für Beschäftigte. Verbesserungen traten stets dann auf, wenn Mitarbeitende durch Gewerkschaften oder Tarife mitgestalten konnten. Eine gesellschaftliche Diskussion ist unerlässlich, um KI zum Nutzen aller zu verwenden. KI kann dazu beitragen, ein gesünderes Arbeitsumfeld zu schaffen und den Fokus auf menschliche Interaktion, Kreativität und Empathie zu legen.
Unklare Dimensionen der KI-Revolution
Rusinek und Weber sind sich einig, dass KI die Arbeitswelt transformieren wird. Doch das tatsächliche Ausmaß bleibt unklar. Die Technologie ist schwer greifbar, und es mag fraglich sein, wie weit fortgeschritten wir sind und wohin die Reise geht. Die Antwort darauf hängt nicht zuletzt von der menschlichen Intelligenz und ihrem Umgang mit den neuen Möglichkeiten ab, die KI eröffnet. Ob eine neue Form der Arbeit entsteht, liegt in unseren Händen.


