- In Hannover und Braunschweig ist der Anteil der Jugendlichen mit motorischen Entwicklungsstörungen seit 2013 um 37 Prozent gestiegen. Sprach- und Sprechstörungen bei Jugendlichen haben um 53 Prozent, bei älteren Jugendlichen sogar um 104 Prozent zugenommen. Hirnforscher Martin Korte sieht die intensive Bildschirmnutzung als wesentliche Ursache für die Beeinträchtigung von Sprachzentren im Gehirn. Soziale Medien führen trotz Vernetzung oft zu Einsamkeit und damit verbundenen stressbedingten psychischen Problemen wie Depressionen. Erwachsenen kommt eine wichtige Vorbildfunktion im Umgang mit digitalen Medien zu, die auch im familiären Umfeld gelebt werden sollte.
In den Regionen Hannover und Braunschweig steigen die Schwierigkeiten bei Kindern und Jugendlichen hinsichtlich Sprach- und Bewegungsfähigkeit. Eine aktuelle Untersuchung weist darauf hin, dass der Prozentsatz der Sechs- bis 18-Jährigen mit motorischen Entwicklungsstörungen seit 2013 um gut 37 Prozent gestiegen ist. Besonders dramatisch ist der Anstieg bei den 15- bis 18-Jährigen, hier beträgt er sogar rund 77 Prozent. Sprach- und Sprechstörungen verzeichnen ein Plus von 53 Prozent, und bei älteren Jugendlichen sind es beeindruckende 104 Prozent. Diese alarmierenden Zahlen wurden jüngst in Hannover präsentiert.
Einfluss der digitalen Medien
Eine der wesentlichen Ursachen für diese Entwicklung sieht Martin Korte, ein Hirnforscher aus Braunschweig, in der intensiven Nutzung von Bildschirmen durch Kinder. Die stundenlange Bildschirmzeit kann die Vernetzung der Sprachzentren im Gehirn beeinträchtigen. Dies hat zur Folge, dass der Wortschatz sowie die Fähigkeit zu lesen und zu sprechen negativ beeinflusst werden. Auch die Fähigkeit zur Konzentration leidet erheblich unter diesen Umständen. Darüber hinaus gibt es auch psychosoziale Auswirkungen: Kinder, die viel Zeit mit Smartphones verbringen, zeigen eine verminderte Fähigkeit zur Empathie. Die neuronalen Strukturen, die nötig sind, um Emotionen und Gedanken anderer nachzuvollziehen, entwickeln sich bei exzessivem Gebrauch digitaler Medien langsamer oder bleiben unzureichend ausgebildet.
Soziale Medien und Einsamkeit
Obwohl viele Jugendliche durch soziale Medien miteinander verknüpft sind, fühlen sie sich oft einsamer als frühere Generationen. Diese Einsamkeit kann körperlichen Stress verursachen, welcher wiederum Depressionen und Angststörungen begünstigt – Phänomene, die bei Jugendlichen zwischen 13 und 20 Jahren zunehmen. Besonders besorgniserregend ist, dass die Zahlen der Krankenkasse, die auf motorische Störungen hinweisen, wohl nur einen kleinen Ausschnitt eines viel größeren Problems zeigen. An der Basis dieser Probleme steht eine steigende Zahl an Kindern, die insgesamt weniger koordinativ agieren können. Diese Bewegungseinschränkungen gehen oft mit einer Gewichtszunahme einher, die seit Jahren bei jungen Menschen beobachtet wird.
Vorbildfunktion der Erwachsenen
Korte weist darauf hin, dass ein reflektierter Umgang mit digitalen Medien bereits im Erwachsenenalter beginnt. Regeln zur Smartphone-Nutzung in Schulen entfalten keine langfristige Wirkung, wenn zu Hause keine Vorbildfunktion gelebt wird: „Wir müssen alle Vorbilder sein“, betont er. Auch der bekannte Lehrer und Bildungsinfluencer Bob Blume äußert Kritik am deutschen Bildungssystem, welches seiner Meinung nach darin scheitert, den Sinn von Fächern wie Gedichtinterpretation und Stochastik begreiflich zu machen. Der Mediencoach Kristin Langer von der Initiative „Schau hin! Was dein Kind mit Medien macht“ hebt ebenfalls hervor, wie wichtig ein angemessener Umgang mit sozialen Medien sowohl für Kinder als auch für Eltern ist.
Balance finden
In der medialen Erziehung sollten Eltern ihre Kinder von Beginn an begleiten, jedoch Raum für Selbstständigkeit und persönliche Entwicklung lassen. Im Kleinkindalter sollten digitale Medien sparsam und gezielt, nur in Begleitung ihrer Eltern eingesetzt werden. Später zählt, die Neugierde und den Wunsch nach Vernetzung der Jugendlichen zu respektieren, dabei aber klare Absprachen zu Nutzungszeiten und Inhalten zu treffen. Eltern sollten stets im Dialog mit ihren Kindern bleiben, um die Herausforderungen und Gefahren der digitalen Welt gemeinsam zu meistern. Dies beinhaltet auch, Strukturen für Selbstbewusstsein und Vertrauen zu schaffen, anstatt auf Kontrolle zu setzen. Solche Maßnahmen können dazu beitragen, die Risiken der digitalen Nutzung auf ein Minimum zu reduzieren.


