- Smartwatches für Kinder bieten Eltern ein trügerisches Sicherheitsgefühl, während Kinder Autonomie verlieren können. Medienexperten warnen vor der unkritischen Adaption von Smartwatches als Sicherheitsmaßnahme. Der Datenschutz bei Kinder-Smartwatches ist problematisch, weil sensible Informationen wie Standort und Kommunikationsverläufe gesammelt werden. Die Industrie nutzt elterliche Ängste, um ihre Produkte zu vermarkten. Ein vertrauensvoller Dialog zwischen Eltern und Kindern ist entscheidend für den sinnvollen Einsatz von Smartwatches.
Knallige Farben, lustige Melodien, bunte Ziffernblätter – die Welt der Smartwatches hat längst auch die jüngeren Nutzer im Visier. Mit diesen Geräten können Eltern ihre Kinder jederzeit kontaktieren, orten und im Notfall anrufen. Viele Modelle bieten darüber hinaus dramatisch klingende SOS- und Nachrichtenfunktionen. Das Konzept scheint offensichtlich: Kinder finden Freude an coolen Funktionen wie Spielen oder Schrittzählern, während Eltern sich auf ein vermeintliches Sicherheitsnetz verlassen können. Der Mediencoach Iren Schulz von der Initiative „Schau hin! Was dein Kind mit Medien macht.“ warnt vor einer unkritischen Adaption dieser Technologie. Sie betont, dass Kinder heutzutage gerne interaktives Spielzeug nutzen, allerdings birgt dies auch Gefahren, die Eltern nicht übersehen sollten.
Digitaler Wegbereiter oder Hemmnis?
Kinder-Smartwatches vermitteln laut Schulz ein trügerisches Sicherheitsgefühl. Der Gedanke, dass Kinder durch diese Technik sicherer und unabhängiger agieren können, wird von vielen Eltern geteilt. Gerade in der Grundschule, in der Kinder erstmals ohne direkte Aufsicht zurechtkommen müssen, scheint die Smartwatch ein nützliches Instrument. Dennoch sei die Selbstwirksamkeit, die Kinder durch ein SOS-Signal erfahren könnten, fragwürdig. Medienpädagoge Markus Gerstmann, Geschäftsführer des ServiceBureaus Jugendinformation und Vorstand der GMK, weist darauf hin, dass die Hauptnutznießer der Sicherheit eher die Eltern sind. Die Industrie nutzt elterliche Ängste gezielt, um ihre Produkte an den Mann zu bringen.
Kinder könnten durch die ständige Überwachung und das Wissen um die elterliche Kontrolle das Gefühl von Autonomie verlieren. Ein wesentlicher Punkt in der Entwicklung ist das Erkämpfen kleiner Freiräume, etwa auf dem Schulweg. Die Smartwatch könnte jedoch genau diese Momente der Selbstständigkeit einschränken. Zudem kann die permanente Erreichbarkeit im Unterricht zur Ablenkung beitragen. Eine Smartwatch lässt sich schwer von einem „normalen“ Armband unterscheiden, weshalb Lehrer oft Schwierigkeiten haben, die Nutzung im Klassenzimmer zu kontrollieren.
Datenschutz: Ein oft übersehener Risikofaktor
Neben den bereits genannten Bedenken kommt ein weiteres entscheidendes Problem hinzu: der Datenschutz. Smartwatches für Kinder sammeln sensible Daten wie Standort, Bewegungsprofile und Kommunikationsverläufe. Georg Dahm, Bereichsleiter Digitales und Technik bei der Stiftung Warentest, hebt hervor, dass diese Informationen häufig genutzt werden, um umfassende Profile zu erstellen. Die Möglichkeit, dass der Anbieter gehackt wird und Kriminelle Zugriff auf diese wertvollen Daten bekommen, ist eine reale Gefahr. Daher sollten Eltern sehr genau darauf achten, welche Smartwatch sie für ihr Kind wählen.
Georg Dahm empfiehlt dringend, die Datenschutzerklärungen potenzieller Geräte gründlich zu studieren und sicherzustellen, dass der Anbieter solide Sicherheitsmaßnahmen implementiert hat. Dabei können Passwortmanager und Zwei-Faktor-Authentifizierung zusätzliche Sicherheit bieten. Eltern sollten überdies abwägen, ob der Nutzen einer Smartwatch die damit verbundenen Risiken überwiegt.
Eingebundenes Kind: Ein kritischer Faktor
Letztlich ist die Verbindung zwischen Kind und Eltern entscheidend. Wenn die Entscheidung für eine Smartwatch fällt, ist der regelmäßige Dialog mit dem Kind unverzichtbar. Man sollte gemeinsam besprechen, wie man die Smartwatch sinnvoll nutzt, ohne die Freiheit des Kindes zu stark einzuschränken. Eltern müssen reflektieren, ob Reaktionen auf Standortdaten wirklich erforderlich sind. Dr. Iren Schulz betont, es sei wichtig, zwischen elterlichen Ängsten und echtem Sicherheitsbedürfnis zu differenzieren. Eine Smartwatch solle keinesfalls ein Misstrauenssignal sein, sondern Teil eines vertrauensvollen Miteinanders.