- Kündigungswelle ist außergewöhnlich.
- Den Konkurrenzdruck bekommen alle zu spüren.
- Kündigungswelle trifft auf Einstellungswelle.
- Mit Entlassungen in die Gewinnzone.
Den Job zu verlieren ist gerade nichts Ungewöhnliches. Die ganze Technologiebranche entlässt in jüngster Zeit Fachkräfte, die sie zu Corona-Zeiten eingestellt hat. Auch die Gaming-Branche tut es: Große Spielekonzerne wie Electronic Arts und Ubisoft, gerade erst gewachsene Riesen wie die Embracer Group und hoch angesehene Traditionsunternehmen wie CD Projekt RED – sie alle haben in diesem Jahr Hunderte Fachkräfte entlassen. Die Größe der Kündigungswelle lässt sich nicht so einfach messen, oft fehlen genaue Zahlen. Das eigens gegründete Blog Game Industry Layoffs hat weit über 100 betroffene Unternehmen zusammengetragen und kommt mit einer konservativen Schätzung inzwischen auf 8000 entlassene Fachkräfte.
Kündigungswelle ist außergewöhnlich
Natürlich ist es normal, dass in der Games-Branche Arbeitgeber pleitegehen und Menschen sich neue Jobs suchen müssen. „Games-Entwicklung war schon immer ein sehr riskantes Geschäft“, sagt Felix Falk, Geschäftsführer des Branchenverbandes Game. Doch bemerkenswert ist die Kündigungswelle dieses Jahres aus zwei Gründen: Erstens ist sie besonders heftig. Der Branchenbeobachter und Jobvermittler Amir Satvat ist sicher, dass wir gerade „eine der schlimmsten Kündigungswellen der letzten 30 Jahre“ erleben. Zweitens ist die Welle bemerkenswert, weil viele Spielehersteller gerade Erfolge feiern. Das Jahr strotzt vor starken Veröffentlichungen: Nintendo legt mit und gleich zwei Titel vor, die als Meisterwerke gefeiert werden. Blockbuster wie „Spider-Man 2″ übertreffen selbst übersteigerte Fan-Erwartungen. Packende Agenten-Action mit , überbordende Rollenspielwelten in „Baldur‘s Gate 3″, bodenlose Mystery mit „Alan Wake II“ – es gab viele ungewöhnlich starke Titel.
Den Konkurrenzdruck bekommen alle zu spüren
Wie passt das zusammen? Laut Felix Falk trägt die „riesige Auswahl an hochklassigen Spielen“ dazu bei, dass Spiele trotz hoher Bewertungen „nicht die erhoffte Aufmerksamkeit und die notwendigen Umsätze“ erreichen. Ist der Konkurrenzdruck höher, bekommen alle das zu spüren – mit existenzbedrohenden Folgen. Das Traditionsunternehmen Daedalic hat in diesem Jahr mit ein schwaches Spiel vorgelegt und ist prompt aus der Entwicklung ausgestiegen. 25 Menschen verloren deswegen ihren Job. Doch auch ein starkes Spiel garantiert keine Stabilität, wie das Studio Mimimi Games erleben musste. Trotz guter Bewertungen für ihr neues Werk haben die Gründer den Laden dichtgemacht und berufen sich unter anderem auf den „erhöhten finanziellen Druck“. Bis zu 38 Menschen haben bei dem Studio gearbeitet.
Kündigungswelle trifft auf Einstellungswelle
Wie düster ist die Lage also für die Spielebranche? Auf der einen Seite stehen zahlreiche Entwicklerinnen und Entwickler ohne Job. Auf der anderen Seite steht aber eine große und starke Branche: Der Personalstand sei „nach wie vor deutlich höher als vor der Pandemie“, so Emilie Avera, Vizepräsidentin des Marktanalysten IDG Consulting. Bei der eigentlichen Spielentwicklung sei sogar eine Einstellungswelle zu beobachten. Als Reaktion auf starke Konkurrenz wollten Publisher nun sicherstellen, dass „ihr nächster Release ein Blockbuster werde“. Unternehmer und Gaming-Experte Joost van Dreunen geht noch einen Schritt weiter. Er sei „optimistisch, was den Zustand der Spieleindustrie angeht“.
Mit Entlassungen in die Gewinnzone
Doch aus Investorensicht ist die aktuelle Kündigungswelle offenbar eher eine Bodenwelle als eine ausgemachte Krise. Noch immer wird in der Branche viel verdient. Van Dreunen beschreibt die Kündigungen als eine Reaktion auf das Geschäftsklima. Während der Pandemie habe es einen „Überfluss an billigem Kapital“ und entsprechende Investitionen gegeben. Nun habe sich der Markt „etwas abgekühlt“. Unternehmen müssten möglichst schnell in die Gewinnzone zurückkehren. Der schnellste Weg dahin: „Die Anzahl der Mitarbeiter reduzieren.“ Für Arbeitssuchende in der Branche ist das ein schwacher Trost. Und die Unsicherheit hat etwas in Bewegung gesetzt. Bei vielen Beschäftigten herrsche inzwischen ein „mangelndes Vertrauen in die Unternehmensführung“, meint Avera. Wie wird es besser?Als Beleg sieht Avera den Trend in vielen Studios, Betriebsräte zu gründen. Van Dreunen glaubt ebenfalls, dass Gewerkschaften dazu beitragen könnten, Arbeitsplätze langfristig zu sichern. Auch die immer stärkere Zusammenarbeit mit anderen Branchen könne zu einer Verbesserung der Bedingungen beitragen. Avera sieht allerdings auch ein neues Risiko für Jobsicherheit: generative KI. Eine „Reduzierung der Belegschaft“ sei durchaus möglich, wenn die Mittel greifen. Keiner der Fachleute will aber vor der Branche warnen. Felix Falk spricht gar von „sehr attraktiven und spannenden“ Jobs. Doch wer einen stabilen Arbeitsplatz sucht, muss offenbar auf der Hut sein.