- Die weitverbreitete Annahme, dass Kinder als Digital Natives automatisch kompetent im Umgang mit Technologie sind, wird infrage gestellt. Eine internationale Studie zeigt Defizite in den digitalen Fähigkeiten von Jugendlichen, insbesondere in Österreich. Sozioökonomische Hintergründe und Migrationsstatus beeinflussen signifikant die digitalen Kompetenzen der Schüler. Der Einsatz digitaler Geräte allein führt nicht zu Kompetenzzuwächsen ohne gezielte Anleitung. Bildungsinitiativen zielen darauf ab, Geräte sinnvoll im Unterricht zu integrieren, um digitale Fähigkeiten zu fördern.
Die weitverbreitete Annahme, dass Kinder und Jugendliche als sogenannte Digital Natives automatisch mit digitalen Technologien souverän umgehen, wird durch eine aktuelle Untersuchung der International Association of Educational Achievement in Frage gestellt. Diese Studie, die einen weltweiten Vergleich mit 35 Nationen ermöglicht, offenbart Defizite in den digitalen Fähigkeiten junger Menschen, die im scharfen Kontrast zur allgegenwärtigen Nutzung von Technologien in ihrem Alltag stehen. In Österreich zeigt sich, dass mehr als ein Drittel der Achtklässler nicht einmal über die grundlegenden Kenntnisse im Umgang mit Computern und dem Internet verfügt. Auf internationaler Ebene erreichen etwa 50 Prozent der Jugendlichen nur die grundlegende Kompetenzstufe oder bleiben sogar darunter. Diese Jugendlichen sind in der Lage, lediglich routinemäßige Aufgaben am Computer unter direkter Anleitung zu bewältigen und haben Schwierigkeiten, die Glaubwürdigkeit digitaler Quellen zu bewerten.
Digitale Unterschiede nach Bildungsniveau
Der Zusammenhang zwischen formaler Bildung und digitaler Kompetenzen wird am Beispiel Österreichs deutlich: Etwa 44 Prozent der befragten Schüler erreichten Kompetenzstufe 2, was grundlegende Kenntnisse und Fähigkeiten umfasst, während nur 17 Prozent Kompetenzstufe 3 erzielen konnten, die eine gewisse Problemlösungsautonomie erfordert. Bloß 1 Prozent der Jugendlichen überzeugte auf der höchsten Kompetenzstufe 4. Im Gesamtvergleich schnitt Österreich bei der International Computer and Information Literacy Study (ICILS 2023) mit 506 Punkten besser ab als der internationale Durchschnitt. Dennoch wurden signifikante Leistungsunterschiede nach sozioökonomischen Hintergründen deutlich: Schüler, die zu Hause nicht Deutsch sprechen, sowie Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund erreichten signifikant schlechtere Ergebnisse. Diese Diskrepanz wird durch das Geschlecht weiter differenziert, wobei Mädchen im Bereich der computer- und informationsbezogenen Fähigkeiten besser abschnitten, während sie beim Computational Thinking zurücklagen.
Mythos der digitalen Generation
Der Mythos, dass die Jugend qua Geburt mit der Technologie umgehen kann, erweist sich als überholt. Dirk Hastedt von der International Association of Educational Achievement betont die Notwendigkeit, digitale Kompetenzen stärker in den Lehrplänen zu verankern, um den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden. Lehrkräfte müssen in ihrer Aus- und Fortbildung besser auf die Vermittlung dieser Kompetenzen vorbereitet werden, da viele Jugendliche den eigenverantwortlichen Umgang mit Technologie größtenteils im außerschulischen Umfeld erlernen. Ein Großteil der Jugendlichen nutzt Informations- und Kommunikationstechnologien eher zu privaten als zu schulischen Zwecken. Die Verfügbarkeit digitaler Geräte alleine schafft noch keinen Kompetenzzuwachs. Es bedarf eines bewussten Einsatzes und einer gezielten Anleitung, um die technologischen Fähigkeiten der Schüler zu vertiefen.
Herausforderungen im Bildungssystem
Bildungsminister Martin Polaschek lobte die überdurchschnittlichen Kompetenzen der österreichischen Schüler, sieht jedoch die Unterschiede nach sozialem Status und Migrationshintergrund als erhebliche Herausforderungen. Um digitale Bildung grundlegend zu fördern, wurde 2021 eine Initiative ins Leben gerufen, die Schülern der fünften Schulstufe kostengünstige oder kostenfreie Geräte zur Verfügung stellt. Nun liegt es an den Lehrkräften, diese Geräte sinnvoll in den Unterricht zu integrieren, und an den Eltern, ihre Nutzung zu steuern, damit sie nicht nur zum Spielen verwendet werden. Die Daten zeigen, dass es kaum Beschränkungen der digitalen Nutzung durch die Eltern gibt, was darauf hindeutet, dass häufige Nutzung nicht automatisch auch besseren Umgang bedeutet. Nur durch gezielte Bildungs- und Unterstützungsmaßnahmen können die digitalen Fähigkeiten der Jugend nachhaltig gestärkt werden.