- Vampire in Medien reflektieren oft tiefste gesellschaftliche Ängste und Desintegration. Das narrative Rollenspiel Cabernet erweitert die Darstellung von Vampiren um gesellschaftskritische Aspekte. Liza’s Beziehungen im Spiel beeinflussen ihre Fähigkeiten und den Verlauf der Geschichte. Das Aktionssystem des Spiels fordert kluge Entscheidungen bei jeder nächtlichen Eskapade. Vampire als Metapher für soziale Ungerechtigkeit und Dekadenz bleibt kulturell relevant.
Es ist faszinierend, wie Vampire in den Medien oftmals Symbole unserer tiefsten Ängste widerspiegeln. Sie sind nicht nur blutrünstige Wesen, sondern auch Darstellungen gesellschaftlicher Furcht und Desintegration. In zahlreichen Videospielen tauchen Vampire auf, doch nur wenige schaffen es, deren mystische und gesellschaftskritische Aspekte überzeugend darzustellen. Lange mussten wir warten, doch nun bereichert das narrative Rollenspiel Cabernet diesen Kreis um ein weiteres Meisterwerk neben den bekannten Spielejuwelen von 2004 und 2018.
Die Nacht der Entscheidung
Im Zentrum von Cabernet steht die kluge Nutzung sozialer Interaktionen, eine Essenz, die Vampire so furchteinflößend macht. Das Spiel beginnt mit Liza’s Beerdigung, die sich bald als frischgebackene Vampirin erhebt. Während der Gedenkfeier erhalten die Spieler die Möglichkeit, Liza’s vergangenes Leben zu formen, was ihre zukünftigen Fähigkeiten beeinflusst. In der virtuellen Welt des 19. Jahrhunderts in Osteuropa, einer Gegend geprägt von lebhaften wie untoten Bewohnern, muss Liza kunstvolle Beziehungen knüpfen, um ihren Durst zu stillen und Zugang zu benötigten Ressourcen zu erhalten.
Interessanterweise wird das Spiel durch ein Aktionssystem dynamisiert, das jede nächtliche Eskapade begrenzt. Entscheidungen müssen weise getroffen werden, denn nicht jede Begegnung kann beendet und jedes Geheimnis gelüftet werden. Einmal mehr wird durch diese Beschränkungen der narrative Schwerpunkt des Spiels herausgestellt: sucht Liza Stabilität und Menschlichkeit oder zieht sie das Nichts und die Abkehr von moralischen Verpflichtungen an?
Hunger und Verlangen
Ihre Wahl der Beziehungen entscheidet über den Verlauf der Geschichte, während Liza’s Verlangen nach Blut stets im Hintergrund lauert. Der Doppelsinn einer Vampir-Existenz könnte nicht treffender dargestellt werden: Beziehungen als Überlebensstrategie und gleichzeitig als potenzielle Gefahrenquelle. Es wird schnell klar, dass selbst in dieser unbegrenzten Existenz nicht alles erreichbar ist.
Neben dem obligatorischen Blutbiss hat Liza vielfältige Fähigkeiten, wie das Verwandeln in eine Fledermaus oder das Hypnotisieren. Diese Talente helfen, die Illusion eines “perfekten” Vampirlebens zu vereinfachen, während sie gleichzeitig die Gefahr der Entdeckung erhöhen. Eine Balance zwischen dem Konservieren ihrer Identität und dem Verlangen ihrer unersättlichen Natur zeigt das Dilemma einer solchen Existenz. Indem das Spiel auf die Ursprünge des Vampirs als Metapher für soziale Ungerechtigkeit und dekadente Arroganz verweist, zeigt es uns, warum die Daseinsform des Vampirs nach wie vor eine bedeutende Stellung in kulturellen Erzählungen einnimmt.