- China experimentiert mit weitreichender Überwachung ohne rechtliche Beschränkungen. Die Überwachungsdaten gelangen zunehmend in den Schwarzmarkt. Insider verkaufen Zugangsinformationen gegen Entgelt. “Social engineering libraries” auf Plattformen wie Telegram fördern den Handel. Systeme zur Überwachung sind durchlässig und verletzlich.
China stellt ein bemerkenswertes Experiment in der Überwachung seiner Bürger dar, das praktisch ohne rechtliche Beschränkungen auskommt. Die Überwachungsmechanismen ermöglichen es der Regierung, sowohl physisch als auch digital regelrecht einen Rundumblick über das Privatleben der Menschen zu gewinnen. Doch diese geballte Sammlung privater Daten bleibt nicht immer hinter den Mauern staatlicher Behörden. Stattdessen sickern diese Informationen zunehmend in den florierenden Schwarzmarkthandel ein. Dort werden sie nicht selten von Insidern verkauft, die bereit sind, ihre Zugänge gegen ein entsprechendes Entgelt öffentlich anzubieten.
Einfluss rekrutierter Insider
Jüngste Untersuchungen von SpyCloud, einer Cybersecurity-Firma, zeigen auf, dass sich auf dem Schwarzmarkt eine neue Form des Handels entwickelt hat. Dieser Handel funktioniert über sogenannte “social engineering libraries” auf Telegram-Kanälen, wie Carllnet, DogeSGK und X-Ray. Hier wird über ein Punktesystem gearbeitet, bei dem Nutzer mit Kryptowährungen wie Tether oder über chinesische Zahlungsdienstleister wie WePay und Alipay Punkte erwerben können. Diese Punkte ermöglichen detaillierte Recherchen, die von Telefonnummern über Bankkonten bis hin zu Aufenthaltsorten reichen.
Durch die Rekrutierung von Mitarbeitern aus Überwachungsbehörden oder staatlichen Unternehmen schalten die Schwarzmarktdienste Zugänge frei, die keine Fragen offenlassen. SpyClouds Analysen entlarvten Ansätze, bei denen Passwortdaten aus Datenbank-Lecks, aber auch Informationen von Insidern angeboten wurden. Letztere versprechen eine “vollkommene Risikovermeidung”, um potenzielle Insider zur Kooperation zu bewegen.
Konsequenzen der Überwachung
Das Handeln dieser Einzelakteure, die gelegentlich mit ihren Informationen hausieren gehen, zeigt auf, wie immense Datenmengen zum zweischneidigen Schwert in einem solchen Überwachungssystem werden können. In einem Umfeld, das ohnehin durch staatliche Kontrolle und mangelnde soziale Mobilität geprägt ist, lässt sich nachvollziehen, warum einige auf den Schwarzmarkt umschwenken. Besonders pikant wird dies, wenn man bedenkt, dass manche dieser Personen bis zu 70.000 Yuan täglich verdienen können.
SpyCloud ist auch auf Beweise gestoßen, als sie versuchten, Daten von hochrangigen Beamten des Landes zu durchsuchen. Die Ergebnisse umfassten eine Fülle von sensiblen Informationen, die ohne große Hindernisse erhältlich waren. Während einige Dienste versuchen, systematisch hochrangige Persönlichkeiten auszuklammern, bleibt das Bemühen eher löchrig. Die Gefahr, dass die überwachenden Systeme durchlässig werden und zu einem Risiko für die Initiatoren selbst wird, liegt auf der Hand. Letztlich zeigt sich, wie problematisch und verletzlich ein so stark zentralisiertes System zur Verarbeitung von Personendaten wirklich sein kann.