- Die Digitalisierung hat die Kunstwelt entscheidend verändert und virtuelle Technologien eine neue Kategorie von Kunst geschaffen. Museen bieten digitalisierte Werke online an, was Fragen zur Kunstwahrnehmung aufwirft. Das Forschungsprojekt „Art Experience in the (Post) Digital Age“ untersucht, wie digitale Umgebungen das Kunstverständnis beeinflussen. Methoden wie Eye-Tracking und qualitative Interviews analysieren individuelle Wahrnehmungsmuster. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass digitalisierte Kunst länger betrachtet wird als analoge Werke und dass die emotionale und kognitive Wirkung von Kunst vielschichtig ist.
Im Zeitalter der Digitalisierung hat die Kunstwelt eine tiefgreifende Transformation erfahren. Virtuelle Technologien haben eine neue Kategorie von Kunst ins Leben gerufen, und Museen bieten mittlerweile die Möglichkeit, digitalisierte Werke online zu bestaunen. Dies wirft Fragen zur Art und Weise der Kunstwahrnehmung auf, die in einem aktuellen Forschungsprojekt untersucht werden. Das Projekt trägt den Titel „Art Experience in the (Post) Digital Age, {original | digital | virtual}“ und wird in Österreich gefördert. Ausgangspunkt der Untersuchung ist Walter Benjamins berühmter Aufsatz „Das Kunstwerk in der Zeit seiner technischen Reproduzierbarkeit“ aus dem Jahr 1936.
Die historische Perspektive der Reproduktion
Benjamin argumentierte einst, dass bei Reproduktionen von Kunstwerken die „Aura“ verloren ginge, ein Begriff, der die Einzigartigkeit und historische Präsenz eines Originals beschreibt. Während Benjamins Zeit war es die Foto- und Filmtechnik, die eine breitere Zugänglichkeit zu Kunstwerken ermöglichte. Heute werden seine Theorien auf die Kontexte digitaler und digitalisierter Kunst angewandt. Hanna Brinkmann, die Projektleiterin vom Department für Kunst- und Kulturwissenschaften, erklärt, dass der Begriff der „Aura“ schwer fassbar sei, weshalb die medienspezifische Wahrnehmung von Kunst im Fokus stehe.
Der Forschungsansatz umfasst Methoden wie Eye-Tracking, Umfragen und qualitative Interviews, um individuelle Wahrnehmungsmuster zu analysieren. Ziel ist es, herauszufinden, ob und wie sich digitale Umgebungen auf das Kunstverständnis auswirken.
Unterschiedliche Umgebungen und ihre Wirkungen
Vorherige Studien haben bereits die Wahrnehmung analoger und digitaler Kunstwerke in unterschiedlichen räumlichen Kontexten untersucht. So wurden Originalwerke in Museen betrachtet, während ihre digitalisierten Versionen in Laboren analysiert wurden. Die aktuelle Studie geht einen Schritt weiter: Es soll untersucht werden, ob diese Wahrnehmung auch vom Umfeld beeinflusst wird, in dem Kunst betrachtet wird. Ein weiterer Fokus liegt auf der Erforschung von Born-Digital-Kunst, also Kunst, die ausschließlich mit digitalen Mitteln erschaffen wurde. Überraschenderweise deuten erste Ergebnisse darauf hin, dass digitalisierte Kunst länger betrachtet wird als analoge Werke.
Emotion und Kognition im Vergleich
Die Erwartung der Forscher ist, dass analoge Kunstwerke eine stärkere emotionale Verbindung herstellen, während digitale und digitalisierte Werke eher die kognitive Ebene ansprechen. Vorläufige Befunde könnten jedoch darauf hindeuten, dass das verarbeitete visuelle Erlebnis vielschichtiger ist, als ursprünglich angenommen. Es bleibt die zentrale Aufgabe der Forschung, diese Zusammenhänge genauer zu beleuchten und eventuell bestehende Vorurteile zu überprüfen.
Die faszinierende Verbindung zwischen Kunst und Technik eröffnet viele neue Perspektiven, die nicht nur die Art und Weise beeinflussen, wie wir Kunst konsumieren, sondern auch, wie wir sie verstehen. Die kontinuierliche Untersuchung dieser Wechselwirkungen wird entscheidend sein, um das zukünftige Wesen von Kunst im digitalen Zeitalter zu definieren.