- Die Schösslinge der Schottischen Kiefer auf der Insel Bute wachsen in Symbiose mit Ektomykorrhizapilzen, was zur proteinreichen Pilzproduktion führt. Mykowaldwirtschaft könnte Landnutzungskonflikte lösen, indem sowohl Bäume als auch Nahrungsmittel auf demselben Land angebaut werden. Wissenschaftler der University of Stirling zeigen, dass die Kultivierung von Ektomykorrhizapilzen und Wäldern bis zu 12,8 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar jährlich binden kann. Professor Paul Thomas entwickelt Technologien für Ektomykorrhizapilze und züchtet 14.200 Setzlinge auf einem ehemaligen Bauernhof. Pilz- und Baumkultivierung könnte nachhaltig Weihnachtsbäume erzeugen und bietet neue Geschmacksrichtungen an.
In einem unscheinbaren Polytunnel auf der schottischen Insel Bute gedeihen Tausende von zarten Schösslingen der Schottischen Kiefer. Was auf den ersten Blick wie eine alltägliche Pflanzaktion wirkt, birgt unter der Erdoberfläche eine bemerkenswerte Symbiose. Diese könnte der erste Ansatz zur kohlenstoffnegativen Proteingewinnung in großem Stil sein. Die Wurzeln der Setzlinge sind mit Ektomykorrhizapilzen geimpft. Diese bieten den Pflanzen im Austausch für Kohlenstoff Bodenmineralien und Wasser an. Gleichzeitig produzieren sie proteinreiche, essbare Pilze. Im kommenden Frühjahr sollen diese Setzlinge gepflanzt werden und eine Baumplantage entstehen lassen, die potenziell hunderte Kilo Kohlenstoff für jedes produzierte Kilo Protein speichern kann.
Mycoforestry: Eine Innovation in der Landnutzung
Dieses Projekt steht an der Spitze der Mykowaldwirtschaft, einer aufkommenden Praxis, Pilze als Nahrungsmittel durch Baumplantagen zu kultivieren. Derzeit ist die Nachfrage nach landwirtschaftlicher Nutzfläche der wichtigste Motor für weltweite Abholzung mit katastrophalen Konsequenzen für Klima und Biodiversität. Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Wissenschaftlern der University of Stirling in Schottland zeigt jedoch, dass Mykowaldwirtschaft dieses Landnutzungskonfliktpotential vermeiden kann, indem auf demselben Land sowohl Bäume als auch Nahrungsmittel angebaut werden. Laut Paul Thomas, einem Ehrenprofessor der University of Stirling, der das Projekt gemeinsam mit Alistair Jump, dem Dekan der Naturwissenschaften, leitet, könnten insbesondere Weihnachtsbaumplantagen als Anwendung ideal sein. Die Sitka-Fichte, eine der Schlüsselspezies, wird oft als Weihnachtsbaum genutzt und Thomas ist der Meinung, dass die Bewirtschaftung solcher Plantagen “brillant” mit der Pilzproduktion harmonieren würde.
Die vielseitige Rolle der Pilze
Thomas hat während seiner Karriere Technologien entwickelt, um die wertvollsten Ektomykorrhizapilze – Trüffel – in Obstgärten weltweit zu kultivieren. Doch angesichts der rasanten Veränderungen des Klimas ist er zunehmend besorgt über die Lebensmittelerzeugung. Vor fünf Jahren begann er, sich mit alternativen Lebensmitteln auseinanderzusetzen, was ihn zu dem gegenwärtigen Projekt führte. Jetzt zieht er 14.200 Setzlinge, darunter Schottische Kiefern, Sitka-Fichten, Silberbirken, Haseln und Englische Eichen, an einem ehemaligen Bauernhof heran. Diese Örtlichkeit enthält ein Labor, das einen atemberaubenden Blick auf die schneebedeckten Berge der Isle of Arran und des schottischen Festlands bietet.
Im Labor wachsen auf Tausenden von Agarplatten 17 verschiedene Pilzarten, von denen einige noch nie zuvor kultiviert wurden. Die Pilze wachsen in einem flüssigen Medium, das wie eine „Pilzsuppe“ wirkt, und werden dann zu den Wurzeln der Jungpflanzen hinzugefügt. Diese mykorrhizalen Verbindungen ermöglichen eine symbiotische Zusammenarbeit, bis die Setzlinge endgültig gepflanzt werden können.
Fazit und Ausblicke
Berechnungen, die die beiden Wissenschaftler im letzten März in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichten, zeigen, dass die gleichzeitige Kultivierung von Ektomykorrhizapilzen und Wäldern bis zu 12,8 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar jährlich binden kann. Dies steht im starken Kontrast zur Produktion anderer proteinreicher Nahrungsmittel, die netto Kohlenstoffemissionen verursachen. Sogar Hülsenfrüchte, die man für kohlenstoffneutral halten könnte, sind über ihren Lebenszyklus Nettoemittenten. Die mykorrhizalen Pilze, die mit den Bäumen wachsen, nutzen deren hohe Kohlenstoffdioxidaufnahme und ermöglichen so ein System, das tatsächlich kohlenstoffnegativ ist.
Der Anbau von Pilzen und Bäumen scheint auf den ersten Blick ein doppelter Gewinn zu sein, jedoch gibt es auch Bedenken. Lynne Boddy, Professorin für Pilzökologie an der Cardiff University, betont die Notwendigkeit „größter Sorgfalt“ hierbei. Thomas weist darauf hin, dass dieses Projekt sich auf native Pilzarten konzentriert und dass potenzielle genetische Modifikationen einer regulatorischen Genehmigung bedürfen würden. Die Nachhaltigkeit zukünftiger Weihnachtsbäume könnte durch dieses System ebenfalls gesichert werden, da das Konventionelle ineffizient ist. Letztlich bleibt die Frage, wie die Pilze schmecken. Thomas schwärmt von ihrem außergewöhnlichen Geschmack und ihren vielfältigen Formen und Farben.