- Ein Kandidat in den USA setzte erstmals vollständig auf künstliche Intelligenz für seine Kampagne. Generative KI beeinflusste Wahlen, indem sie parteiliche Gräben vertiefte, obwohl ihr direktes Täuschungspotential skeptisch betrachtet wurde. Deepfakes wurden stark diskutiert, jedoch zögerten viele, sie aufgrund gesetzlicher Bedenken einzusetzen. KI spielt zunehmend subtile Rollen in Wahlen, etwa bei Übersetzungen und strategischen Unterstützungen. Technologische Entwicklungen ermöglichen kleineren Kampagnen, zuvor unzugängliche Ressourcen zu nutzen.
Im Frühjahr erlebten die USA womöglich ihren ersten Kandidaten, der ganz auf künstliche Intelligenz setzte. Ein virtueller integrierter Bürger, basierend auf dem ChatGPT-Bot, von Victor Miller entwickelt, versprach eine vollständige Führung durch KI. Zu Beginn des Jahres 2024 meinten viele, dass selbst bei einem möglichen Wahllos, generative KI dennoch demokratische Wahlen beeinflussen könnte, da über 2 Milliarden Menschen in mehr als 60 Ländern ihre Stimme abgaben. Doch Experten und Analysten äußerten sich später skeptisch und erklärten, dass das Potenzial von generativer KI wahrscheinlich kaum Auswirkungen gehabt hatte.
Der Einfluss von Deepfakes
Jedoch stellte sich die Frage, ob all die Vorhersagen, dass 2024 das Jahr der KI-Wahlen sein würde, falsch waren. Die Wahrheit liegt in einem Zwischenton. Experten, die sich mit dem Phänomen auseinander setzten, sehen darin durchaus das “Jahr der KI-Wahlen” – jedoch nicht in der erwarteten Form. Ursprünglich zog viel Aufsehen über die Bedrohung durch Deepfakes. Diese könnten, so die Befürchtung, den ohnehin schon trüben Informationsraum überfluten und die Öffentlichkeit täuschen. Scott Brennen, Direktor des Center for Technology Policy an der New York University, gibt an, dass die Sorge um irreführende Deepfakes viel Raum eingenommen habe.
Die subtile Rolle der KI
Dennoch zögerten viele Kampagnen, generative KI für solche Täuschungen einzusetzen, da die Technologie schwer beherrschbar war. In den USA bestand zudem die Unsicherheit hinsichtlich neuer staatlicher Gesetze, die “irreführende” Deepfake-Werbung einschränken oder eine Offenlegung bei der Verwendung von KI in politischen Anzeigen erfordern. Brennen äußert, dass ehrlich gesagt jede politische Kampagne oder Werbung kein Testfall sein möchte, besonders da unklar ist, was als “irreführend” gilt.
WIRED startete Anfang des Jahres ein Projekt zur Verfolgung der KI-Nutzung in weltweiten Wahlen. Eine Analyse fand heraus, dass Deepfakes nicht zwingend Menschen in die Irre führten oder deren Meinung änderten, jedoch durchaus die parteilichen Gräben vertieften. Viele der KI-generierten Inhalte zeigten Unterstützung oder Anhängerschaft für bestimmte Kandidaten auf – wie etwa ein KI-erstelltes Video von Donald Trump und Elon Musk, die zu einem Bee Gees-Song tanzten.
AI hinter den Kulissen
Doch Brennen offenbart auch die leiseren, unscheinbareren Anwendungen von KI, die im vergangenen Jahr an Bedeutung gewannen. Es wurden weniger auffällige, jedoch weit verbreitete Einsatzmöglichkeiten der generativen KI im Hintergrund verzeichnet, wie das Schreiben von E-Mail-Texten oder Ansprachen. Diese subtilen Anwendungen sind zwar nicht so wahrnehmbar wie Deepfakes, existieren jedoch auf breiterer Ebene. Bruce Schneier, ein Technologieexperte aus Harvard, betont die weitreichenden Rollen von KI in Wahlen, wie bei Übersetzungen oder strategischen Unterstützungen.
In Indonesien nutzte eine politische Beratungsfirma ein Werkzeug basierend auf OpenAI’s ChatGPT, um Kampagnenstrategien zu entwerfen. In Indien setzte Premierminister Narendra Modi KI ein, um seine Reden simultan in mehrere Landessprachen zu übersetzen. Solche Technologien könnten der Demokratie zuträglich sein, indem sie mehr Menschen in den politischen Prozess integrieren und kleineren Kampagnen zuvor unzugängliche Ressourcen zugänglich machen. Während noch kein Jahr ganz als “das Jahr der KI” bezeichnet werden kann, zeigt die Entwicklung, dass diese Werkzeuge einen wachsenden Einfluss erlangen.