- Die endoskopische Untersuchung entdeckte eine Deformation im Kühlkreislauf eines Kernreaktors in Petten, die zu Lieferengpässen führte. Der Petten-Reaktor ist einer von sechs großen Herstellern von Molybdän-99, welches in der medizinischen Bildgebung essenziell ist. Der Ausfall fiel mit der Wartung eines weiteren Reaktors zusammen, was den Engpass verstärkte. Neue Produktionsstätten wie der geplante PALLAS-Reaktor sollen zukünftige Versorgungsprobleme mindern. In den USA gibt es Initiativen wie die Anlage von Shine Technologies zur Herstellung von Molybdän-99 durch innovative Verfahren.
Vorsichtig, fast schleichend, wie ein Wurm auf Expedition, drang die endoskopische Kamera in das Innere des Rohres ein und entdeckte ihr Ziel. Im vergangenen Oktober führten Ingenieure im niederländischen Petten dieses Instrument in einen Wasserkanal des Kühlkreislaufs eines Kernreaktors ein. Auf ihren Bildschirmen wurde das Problem sichtbar: eine Ausbeulung an der Rohrinnenfläche. Und diese hatte sich seit der letzten Inspektion vergrößert. „Es ist wie ein kleiner Fingerteil. Klein, wirklich klein“, betont Ronald Schram, Sprecher der Betreiberfirma NRG. Trotz ihrer Kleinheit sorgte diese Deformation für erhebliche Störungen in der Lieferkette radiopharmazeutischer Produkte und führte zur Absage Tausender Patiententermine. Radioisotope, instabile chemische Elemente, die Strahlung abgeben, sind essenziell für die medizinische Bildgebung.
Die Bedeutung von Molybdän-99
NRG’s Petten-Reaktor ist einer von weltweit sechs großen kommerziellen Herstellern von Molybdän-99, einem Schlüsselradioisotop für medizinische Zwecke. Dieses Isotop zerfällt zu Technetium-99m, welches Ärzte gelegentlich Patienten injizieren. Über das Blut verteilt es sich in Teile des Körpers wie Herz, Lunge oder Tumore. Spezielle Kameras erfassen es leicht und ermöglichen es Ärzten, Bilder zu erstellen, die Funktionen statt nur Strukturen zeigen. Während Molybdän-99-Engpässe alle paar Jahre auftreten, sprachen Quellen von einem besonders akuten Mangel. Einige Patienten sahen sich mit Terminabsagen konfrontiert, andere mit Verschiebungen. Ein Experte sagt, er sei besorgt, dass zusätzliche Engpässe in den kommenden Monaten auftreten könnten.
Strategien zur Krisenbewältigung
Der Petten-Reaktor produziert ausreichend Molybdän-99, um jährlich Millionen Dosen von Technetium-99m zu liefern. Der Zwischenfall im Oktober fiel ungünstigerweise mit der planmäßigen Wartung eines weiteren Reaktors zusammen, wodurch ein Engpass unausweichlich wurde. „Das Timing war unglücklich“, gibt Schram zu. In einem Kernreaktor – besonders in einem 60 Jahre alten – dürfen Deformitäten im Equipment nicht ignoriert werden, also wurde der Betrieb eingestellt. Es gibt nur wenige Molybdän-99-Produzenten in Europa, einige in Australien und Südafrika.
David Crunelle von Nuclear Medicine Europe (NMEU) erinnert sich: „In Genf, vor zwei Monaten, warnten wir vor einem Engpassrisiko, sollten Probleme auftreten.“ Radioaktive Substanzen sind flüchtig und lassen sich nicht bevorraten. Technetium-99m funktioniert als radioaktiver Tracer und emittiert 140 KeV Gamma-Strahlung – ideal für die Detektion mit einer Gamma-Kamera. Doch hat es eine kurze Halbwertszeit, etwa sechs Stunden. Deshalb liefern Einrichtungen kleine Generatoren voller Molybdän-99 an Krankenhäuser.
Zukunftsperspektiven und neue Anlagen
Für die dauerhafte Sicherung der Versorgung laufen Bemühungen, neue Produktionsstätten für Molybdän-99 zu etablieren. NRG beispielsweise plant den Bau eines neuen Reaktors, PALLAS genannt, der um 2030 betriebsbereit sein soll. Dieser soll die Produktion von 260 auf 300 Tage im Jahr erhöhen. Schram beschreibt diesen neuen Reaktor als bedeutenden Schritt zur Sicherstellung ausreichender Dosen von Technetium-99m. Trotz dieser Fortschritte weist Flux darauf hin, dass die geringe Anzahl an Produktionsstätten weltweit zukünftige Engpässe wahrscheinlich macht.
Innovative Ansätze in Amerika
In den USA gibt es momentan keine kommerzielle Molybdän-99-Produktion. Doch die US-Behörden haben beträchtliche Fördermittel bereitgestellt, um den Aufbau solcher Einrichtungen zu unterstützen. Ein Beispiel ist die in Wisconsin entstehende Anlage Chrysalis von Shine Technologies, die in etwa zwei bis drei Jahren operativ sein soll und jährlich 20 Millionen Dosen produzieren soll. Greg Piefer, CEO von Shine Technologies, betont den Innovationsaspekt seiner Firma: Durch Kernfusion sollen Neutronen erzeugt werden, die bei Kollisionen große Uranatome in Molybdän-99 umwandeln.
Andere Ansätze zielen darauf ab, bestehende Kernreaktoren, die für die Energieerzeugung genutzt werden, in die Produktion des Isotops einzubinden. Dies könnte die medizinische Versorgung signifikant verbessern. Angesichts alternder Bevölkerungen und steigender Krebsraten wird die Nachfrage nach medizinischen Radioisotopen weiter zunehmen. Health-Experten fordern daher Weitsichtigkeit, um zukünftige Versorgungssicherheit sicherzustellen.


