- Die Bundesnetzagentur hat im Jahr 2025 ein Verfahren zur “Allgemeinen Rahmenfestlegung Strom” initiiert, um die systemische Reform der Stromnetzentgelte zu adressieren. Das aktuelle System weist signifikante Schwächen auf, darunter eine sinkende Anzahl voll zahlender Nutzer und steigende Netzkosten. Diskutiert wird, ob Einspeiser künftig stärker zur Finanzierung der Netzkosten herangezogen werden sollen, etwa durch einspeiseabhängige oder Grundnetzentgelte. Die Einführung dynamischer Netzentgelte wird als Möglichkeit gesehen, wirtschaftliche Anreize durch Echtzeitreflexion der Netzauslastung zu bieten. Die aktuelle Reformdiskussion ist durch die Notwendigkeit getrieben, das Netzentgeltsystem zukunftssicher zu gestalten und die Eigenheiten der Energiewende zu berücksichtigen.
Im Jahr 2025 hat die Bundesnetzagentur ein Verfahren zur “Allgemeinen Rahmenfestlegung Strom” initiiert und ein maßgebliches Diskussionspapier veröffentlicht. Diese Veröffentlichung kommt inmitten dringender Reformbedarfe beim System der Stromnetzentgelte. Das bisherige Modell weist signifikante Schwächen auf: Die Anzahl der voll zahlenden Nutzer sinkt, die Netzkosten steigen und aktuell existieren kaum Anreize für Flexibilität und ökonomischen Netzbetrieb. Laut Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, muss die Systematik zukunftssicher und energiewendegerecht umgestaltet werden. Ziel des aktuellen Prozesses ist es, ohne Festlegung auf ein bestimmtes Ergebnis, offene Diskussionen über die verschiedenen Anpassungsoptionen zu führen.
Optionen zur Anpassung der Netzentgelte
Im Detail beleuchtet das Diskussionspapier eine Reihe von Anpassungsmöglichkeiten für die Netzentgeltbildung. Eine zentrale Überlegung: die erweiterte finanzielle Beteiligung von Einspeisern an den Netzkosten. Während der Netzausbau hauptsächlich durch die Erzeugung erneuerbarer Energien angekurbelt wird, tragen in Deutschland bisher nur die Endverbraucher die Netzentgelte; Stromproducer sind ausgenommen. Es wird diskutiert, ob künftig Einspeisation mit entsprechenden Entgelten belastet werden sollte. Denkbar sind sowohl einspeiseabhängige Entgelte als auch Grundnetzentgelte für die Einspeiser.
Ebenso ist die Einführung zusätzlicher Entgeltkomponenten wie Grund- oder Kapazitätspreisen auf dem Prüfstand. Bisher sind oberhalb der Niederspannung alle Entgelte von der Entnahme abhängig, was die Kostenverteilung verzerrt. Ein pauschaler Grundpreis könnte eine gerechtere Kostenverteilung sicherstellen. Besonders bei Netzdimensionierungen, wo die Netzkapazität eine entscheidende Rolle spielt, erscheint eine direkte Bepreisung der Bestellkapazität potenziell zielführend.
Dynamische Netzentgelte und technische Voraussetzungen
Ein weiterer Ansatz sieht die Implementierung dynamischer Netzentgelte vor. Diese würden die Netzauslastung in Echtzeitreflexion lokal variieren und damit wirtschaftlich lenkende Preissignale aussenden. Im Vergleich dazu sind statische, zeitvariable Netzentgelte weniger flexibel, da sie im Voraus für große Regionen festgelegt werden. Eine signifikante Digitalisierung der Netze und ihrer Nutzer ist jedoch Voraussetzung für diese reellen Preisanreize.
Die sinnvolle Integration der Stromspeicher-Nutzergruppe stellt ebenfalls einen wichtigen Diskussionspunkt dar. Die Rolle von Speichern im Netz ist entscheidend für eine systemdienliche und effiziente Ressourcennutzung. Die Anpassungsoptionen sind Gegenstand eines kontinuierlichen Dialogs mit allen relevanten Interessengruppen, um einen bestmöglichen Lösungsweg zu identifizieren.
Hintergrund des Reformvorhabens
Seit dem Inkrafttreten der aktuellen Regelungen vollzieht das Energiesystem einen gewaltigen Wandel. Der hohe Anteil an Energie, die fern vom Verbraucher eingespeist wird, führt zu hohen Ausbaukosten und zu einer zunehmenden Einspeisedominanz. Flexibles Verhalten von Verbrauchern und Einspeisern wird unerlässlich, um den Anforderungen der erneuerbaren Energien gerecht zu werden. Gleichzeitig fehlt es an erforderlichen Finanzierungsbeiträgen durch die wachsende Anzahl von Prosumern.
Die bisher stark entnahmeabhängigen Anreizmechanismen der Netzentgeltsystematik sind nicht mehr zeitgemäß und behindern flexible Nutzung. Mit dem Verfahren “Allgemeine Netzentgeltsystematik” (AgNes) wird nun versucht, auf Grundlage des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 2. September 2021, in dem die Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur bei der Regulierung betont wurde, die bisher festgelegten Prinzipien der §§ 12-20 StromNEV anzupassen. Das anberaumte Diskussionspapier dient als Fundament für diese weitreichenden Gespräche. Stellungnahmen können bis Ende Juni abgegeben werden, um eine umfassende Debatte und Neugestaltung der Netzentgeltsystematik zu ermöglichen.