- Das Fraunhofer IAO und das Projekt zirkulierBAR veröffentlichten ein Handbuch zur Kreislaufwirtschaft und Nährstoffwende. Recycling menschlicher Ausscheidungen als Düngemittel wurde als technisch und ökologisch vorteilhaft bewiesen. Rechtliche Anpassungen sind notwendig, um ressourcenorientierte Sanitärsysteme zu fördern. Die erste deutsche Anlage zur Düngemittelproduktion aus Urin und Fäkalien wurde in Eberswalde aufgebaut. Das Projekt zirkulierBAR, gefördert vom BMBF, endet 2024.
Nach einer intensiven, dreijährigen Kooperation hat das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO gemeinsam mit den Partnern des Projekts »zirkulierBAR« bedeutende Lösungswege und Forschungsergebnisse in einem umfassenden Handbuch zur Kreislaufwirtschaft und Nährstoffwende publiziert. Im Kern stehen technologische und ökologische Methoden zur Wiederverwertung menschlicher Ausscheidungen, die als recycelte Düngemittel in der Landwirtschaft genutzt werden können. Dieses Handbuch dient als praxisnaher Leitfaden für kommunale Organe, Planer, Agrarwirtschaft und alle Interessierten.
Wie können wir den Boden dauerhaft verbessern, wertvolle Nährstoffe recyceln, den Erdgas- und Rohphosphatverbrauch reduzieren und gleichzeitig auf breiter Basis Trinkwasser sparen und Schadstoffeinträge in Gewässer vermindern? In getrockneten Inhalten von Trockentrenntoiletten liegt ein enormes Potenzial. Das Projekt zirkulierBAR hat eindrucksvoll bewiesen, dass es sowohl technisch möglich als auch ökologisch vorteilhaft ist, menschliche Exkremente zu Düngemitteln zu verarbeiten und diese in der Landwirtschaft nutzbar zu machen.
Akzeptanz und notwendige Veränderungen
Mit einem systemischen und interdisziplinären Ansatz hat zirkulierBAR in den vergangenen drei Jahren die Herstellung und Nutzung von recycelten Düngemitteln unter vielfältigen Perspektiven untersucht. Das Fraunhofer IAO hat ausgelotet, welche Rahmenbedingungen für ein funktionierendes Innovationsökosystem erforderlich sind. Zudem hat das Forscherteam die Akzeptanz in der allgemeinen Bevölkerung sowie die Sichtweise potenzieller Interessengruppen erhoben. Laut Felix Bickert, Projektleiter des Fraunhofer IAO, steht einer hohen gesellschaftlichen Akzeptanz von ressourcenorientierten Sanitärsystemen nichts im Wege – es bedarf allerdings eines rechtssicheren Rahmens, um Nährstoffe im Kreislauf zu halten. Dafür sind rechtliche Anpassungen, etwa im Düngemittel- und Abfallrecht, vonnöten, da derzeit menschliche Ausscheidungen nicht als Bioabfall eingestuft werden.
Forschungsergebnisse: Vom Labor zur Praxis
Die Ergebnisse, die im Handbuch veröffentlicht wurden, bieten eine fundierte Basis für die Skalierung und breitere Implementierung dieser zukunftsweisenden Lösung. Das Handbuch skizziert detailliert die Transformationsschritte in die regionale Kreislaufwirtschaft. In einem Pilotprojekt in Eberswalde wurde die erste deutsche Anlage aufgebaut, die Urin und Fäkalien sammelt, hygienisiert und in wissenschaftlich begleitete Düngemittel umwandelt. Qualitätsuntersuchungen bestätigten, dass die Recyclingdünger gesundheitlich unbedenklich sind und auf dem Düngemittelmarkt einsatzfähig sein können. Eine Befragung unter Bio-Anbau-Verbänden zeigte, dass der Einsatz solcher Düngemittel in ökologischen Anbaubetrieben positiv aufgenommen wird.
Um die öffentliche, ressourcenorientierte Sanitärversorgung voranzutreiben, müssen institutionelle Rahmenbedingungen geschaffen werden. Die bisherigen Erfahrungen aus beteiligten Kommunen, die sich zentral an der Sanitärwende beteiligen, sind hierbei von unschätzbarem Wert. Gleichzeitig sind rechtliche Anpassungen notwendig, um die ressourcenorientierten Systeme rechtssicher zu verankern. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt zirkulierBAR, koordiniert vom Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau, soll 2024 abgeschlossen werden.
Präsentation und Reaktionen
Bei der Abschlussveranstaltung von zirkulierBAR am 17. Oktober 2024 in Berlin wurde das Handbuch im Beisein zahlreicher Stakeholder aus Politik und Forschung vorgestellt. Stimmen aus dem Umfeld betonter die Relevanz und den innovativen Wert dieser Arbeit. Michael Kellner, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, lobte die neuen Wege in der Kreislaufwirtschaft. Marco Schlüter aus Leipzig teilte seine Überzeugung für ressourcenorientierte Sanitärsysteme und freute sich über die Gewinne an Erfahrung und Wissen. Anna Calmet und Annika Grebener regten abschließend dazu an, die neuen Erkenntnisse zu adaptieren und weiterzuführen, um aus dem einstigen “Pfui” ein ermutigendes “Hui” zu machen.