- In der Karibik wird starker Anstieg von Sargassum-Algen an den Stränden erwartet, was erhebliche wirtschaftliche Herausforderungen für touristische Regionen darstellt. Studien veranschlagen eine Reduktion des lokalen BIP um 11,6 Prozent im Küstenstaat Quintana Roo aufgrund des Sargassums. Innovative Ansätze, wie die Umwandlung von Sargassum in Biokraftstoff, bieten Potenzial zur Nutzung des Algenbewuchses. Forscher haben ein Baumaterial entwickelt, das aus Sargassum gefertigt wird und umweltfreundliche Eigenschaften aufweist. Die Nutzung von Sargassum als Ressource könnte langfristig zur Schaffung einer nachhaltigen Wirtschaft beitragen.
In der Karibik, wo Sommer traditionell gleichbedeutend mit Sonne, Sand und kristallklarem Wasser ist, sind Ferienziele wie Cancún, Cozumel und Tulum seit Jahrzehnten Synonyme für das Paradies. Doch vor etwa 15 Jahren begann sargassogelbes Seegras zu erscheinen, die Strände mit seinen bräunlich gefärbten Massen zu bedecken. Jedes Jahr im Sommer schwemmt eine große Menge dieses Algenmaterials aus dem offenen Meer in den Golf von Mexiko, parallel zur touristischen Hochsaison. Die Prognosen der University of South Florida verheißen für diesen Sommer nichts Gutes: Man rechnet mit bis zu 400.000 Tonnen Sargassum, die an mexikanischen Küsten angespült werden könnten.
Sargassum und wirtschaftliche Herausforderungen
Dieses Seegras, das die malerischen Strände des Landes verschandelt, setzt beim Verrotten giftige Gase frei, darunter Schwefelwasserstoff sowie die Treibhausgase Methan und Kohlendioxid. Eine Studie der Interamerikanischen Entwicklungsbank veranschlagt, dass das Sargassum das lokale BIP in Quintana Roo – einem Küstenstaat mit touristischen Zentren wie Cancún und Playa del Carmen – um 11,6 Prozent reduziert. Der Hotelverband Mexikos klagt über jährlich mehr als 100 Millionen Dollar Kosten für die Beseitigung des Sargassums von den Stränden. Die Ursache für diese Seetangschwemme bleibt unter Experten umstritten. Einige führen die Erwärmung der Ozeane, ständig steigende Mengen an landwirtschaftlichen Düngemitteln im Meer und weitere Faktoren an, doch ein endgültiger Beweis fehlt.
Innovative Lösungen: Bioenergie aus Sargassum
Doch inmitten dieser Herausforderung gibt es auch innovative Ansätze. Ingenieur Miguel Ángel Aké Madera, ein Experte für unkonventionelle Energien, sieht in der Verarbeitung großer Sargassummengen einen Weg zur Lösung. Durch die Umwandlung des Algenbewuchses in Biokraftstoff kann man die Problematik nicht nur eindämmen, sondern auch nutzen. Aké Madera, Gründer und Direktor eines mexikanischen Unternehmens für Energieerzeugung aus Biomasse und landwirtschaftlichen Abfällen, erklärt: „Durch die Verarbeitung von 500 Tonnen Sargassum erhält man 20.000 Kubikmeter Biogas.” Dieses Volumen entspricht dem Energiegehalt von etwa 20.000 Litern Benzin.
Ähnliche Überlegungen verfolgt Esteban Amaro, der Direktor des Sargassum-Überwachungsnetzwerks von Quintana Roo. Er ist der Meinung, dass die Umwandlung in Kraftstoff die beste Nutzenmöglichkeit darstellt, da die Gesundheitsrisiken bei der Herstellung anderer Konsumgüter aus Sargassum noch nicht ausreichend erforscht sind. Der Einsatz des Seegrases zur Energiegewinnung könne zudem helfen, schädliche Metalle wie Arsen, Blei und Cadmium zu vermeiden, die beim Verrotten freigesetzt werden.
Zwischen Recycling und Energiewende
Doch das Potential des Sargassums endet nicht bei der Energiegewinnung. Forscher der Autonomen Nationaluniversität von Mexiko haben ein Baumaterial entwickelt, das aus diesem Seegras gefertigt wird. Diese sogenannten Sargapanel-Platten benötigen pro Stück zwischen 60 und 70 Kilo nasses Sargassum und weisen im Vergleich zu herkömmlichen Paneelen eine höhere Flexibilität, größere Schlagfestigkeit und eine erhöhte Feuerbeständigkeit auf. Das Besondere: Die Produktion verzichtet auf chemische Zusätze, wodurch das Material recycelbar ist. Die Wiederverwertung am Ende des Lebenszyklus eröffnet zusätzliche wirtschaftliche Möglichkeiten und reduziert den CO2-Ausstoß erheblich.
Diese verschiedenen Ansätze zeigen, dass die Herausforderung Sargassum nicht nur als Problem betrachtet werden muss. Die Umwandlung in Biokraftstoff oder Baustoff bietet Chancen für die Schaffung einer nachhaltigen Wirtschaft, die gleichzeitig ökologische Vorteile bringt. So könnte aus der Not eine Tugend werden, indem das Algenproblem nicht nur gelöst, sondern auch gewinnbringend genutzt wird.