- Rosetta-Mission entdeckte 44 organische Moleküle, darunter Glycin und Dimethylsulfid. Asteroid- und Kometenstudien stützen die Theorie, dass Leben im Weltraum beginnen könnte. James-Webb-Weltraumteleskop fand organische Moleküle in einer jungen Galaxie kurz nach dem Urknall. Organische Moleküle existieren in protoplanetaren Scheiben um junge Sterne. Diese Entdeckungen zeigen, dass organische Chemie im Weltraum allgegenwärtig ist.
Vor einem Jahrzehnt begab sich die Rosetta-Sonde der Europäischen Weltraumorganisation auf eine bemerkenswerte Reise. Sie schloss zu einem kometenartigen Gebilde von der Größe eines Berges auf, dem 67P/Churyumov-Gerasimenko, und begleitete dieses zwei Jahre lang. Währenddessen fingen ihre Instrumente kontinuierlich Staub und Gas ein, die vom Kometen abstrahlten. Die Forscher hofften, Hinweise auf die Entstehung unseres Sonnensystems und insbesondere auf die Herkunft einer speziellen Molekülklasse zu entdecken. Organische Moleküle, also solche mit Kohlenstoff, sind auf der Erde reichlich vorhanden, besonders in Lebewesen. Als Grundbausteine des Lebens bezeichnet, sind diese Verbindungen aufgrund ihrer Fähigkeit, stabile und lange Kohlenstoffketten zu bilden, von großer Bedeutung für komplexe biologische Strukturen.
Rosettas Vermächtnis
Die Erkenntnisse der Rosetta-Mission haben gezeigt, wie allgegenwärtig organische Moleküle auch im Weltraum sind. “Rosetta hat das Bild wirklich verändert”, kommentierte ein Chemiker der Universität Bern, der die Daten der Sonde untersucht hat. Als Hänni und ihre Kolleginnen und Kollegen 2022 nur einen einzigen Tagesdatensatz der Sonde analysierten, identifizierten sie 44 verschiedene organische Moleküle, einige davon äußerst kompliziert mit über 20 Atomen. Die Sonde entdeckte unter anderem Hinweise auf Glycin, einen der Aminosäure-Bausteine der Proteine, und ermittelte kürzlich die Präsenz von Dimethylsulfid, einem Gas, das auf der Erde nur durch lebende Organismen erzeugt wird. Was Rosetta für Kometen bedeutete, setzten Japans Hayabusa2 und die OSIRIS-REx-Mission der NASA bei Asteroiden fort. Beide Organisationen haben Proben von den Asteroiden Bennu und Ryugu entnommen und zur Erde zurückgebracht. Die Langzeituntersuchungen dieser Materialien offenbaren eine Vielzahl organischer Moleküle. Allein Ryugu enthielt 15 verschiedene Aminosäuren, was sein Potenzial als Lebensbaustein zeigt.
Rätselhafte Ursprünge
Wie einfache chemische Prozesse zu komplexen Lebewesen führen, ist eines der großen ungelösten Rätsel der Wissenschaft. Asteroid- und Kometenstudien stützen die Theorie, dass der Beginn des Lebens möglicherweise im Weltraum lag. Sei es in den Methan- und Ethan-Seen auf dem Saturnmond Titan oder in den roten Schattierungen von Pluto, überall scheint der Kosmos von den Rohstoffen des Lebens zu wimmeln. Wissenschaftler fragen sich schon lange, woher diese Moleküle stammen und wie sie sich ohne biologische Evolution entwickeln konnten. Der Wunsch, zu verstehen, wie Planeten in der Abwesenheit von Leben organische Stoffe erwerben, treibt Forscher weltweit an. Durch Sondenmissionen und detaillierte Beobachtungen der Weltraumbedingungen entschlüsseln Forscher immer mehr die Ursprünge dieser Komplexität – mit überraschenden Ergebnissen.
Die kosmische Chemie des Lebens
Der James-Webb-Weltraumteleskop beobachtete kürzlich eine junge Galaxie, die 1,5 Milliarden Jahre nach dem Urknall existierte, und entdeckte dort mächtige Moleküle, die Teer ähneln. Diese Entdeckung zeigt, dass solche organischen Moleküle schon kurz nach dem Entstehen der ersten Sterne existierten. Die Überreste alternder Sterne führten einst durch ihren Einfluss auf Stellarwinde zur Entstehung dieser kohlenstoffreichen Verbindungen. Zwei wesentliche Pfade zur Bildung organischer Moleküle sind bis heute bekannt. Während die eine Methode durch die Umwälzung von Sternenstaub in molekularen Wolken erfolgt, bieten die eisigen Krusten von Staubkörnern friedliche Verhältnisse zur Bildung dieser Verbindungen. Chemische Reaktionen werden durch kosmische Strahlen und ultraviolettes Licht eingeleitet – ein brandneues Feld, das die überraschende Vielfältigkeit der organischen Chemie im Weltraum verdeutlicht. Forschungen belegen, dass solch strukturelle Komplexität bereits lange existierte, bevor unser Sonnensystem entstand. Die zentrale Frage bleibt, wie sich diese Moleküle in einer neu entstehenden Umgebung wie einem Sonnensystem verhalten.
Dynamische Scheiben
Eine Schlüsselfrage lautet, ob diese Moleküle die Geburt eines neuen Sonnensystems überleben können. Neue Erkenntnisse zeigen, dass organische Moleküle in protoplanetaren Scheiben, den gas- und staubreichen Regionen um junge Sterne, existieren. Ein Forscherteam entdeckte Methanol in einer solch nahegelegenen, planetenbildenden Scheibe. Dieses Methanol hätte nur auf eisigen, kohlenmonoxidreichen Staubkörnern einer molekularen Wolke entstehen können. Diese Funde bestätigen, dass sich chemische Komplexitäten während der Planetenentstehung entwickeln. Herausforderungen bei der Modellierung dieser Prozesse vermitteln jedoch ein spannendes Forschungsfeld, das einen neuen Blick auf die zugrundeliegende Mechanik eines gesamten Sonnensystems bietet. Was für Kometen gilt, trifft umrisshaft auch auf Asteroiden zu. Während Erstere als Rückstände der protoplanetaren Scheibe gelten, eröffnen Asteroiden wie Bennu und Ryugu neue Perspektiven auf die Entwicklung.
Komplexität aus dem All
Die frühen organischen Moleküle auf der Erde führten schließlich zu Leben. Verschiedene Hypothesen zur Entstehung des Lebens zentrieren sich auf das Vorhandensein organischer Vorstufen aus dem Weltall. Manche Wissenschaftler vermuten, dass die Rohmaterialien des Lebens im interstellaren Medium bereits entstanden sind und somit überall im Universum zu finden sein müssten. Obwohl diese Theorien noch nicht vollständig überprüfbar sind, informieren sie laufende Forschungsbemühungen, die auf der Suche nach Anzeichen von Leben auf anderen Planeten entscheidend sind. Missionen unter der Leitung der ESA und NASA erforschen Jupiter und seine Monde, um organische Moleküle zu entdecken. Äußerst wichtig bleibt die Herausforderung, zwischen chemischer und biologischer Komplexität zu unterscheiden – ein Ziel, das Forschern helfen könnte, Biosignaturen, potenzielle Lebenszeichen auf anderen Welten, besser zu analysieren.
Insgesamt zeigt die kosmische Untersuchung, dass organische Chemie ein universelles und allgegenwärtiges Phänomen ist. Diese Studien beleuchten nicht nur den Weg zur Entstehung des Lebens, sondern auch den evolutionären Verlauf der Materie im Universum. “Organische Chemie ist nur eine Form der normalen Chemie im Kosmos”, schließt Schmitt-Kopplin abschließend.